Aus der Reihe „Training, Titel und Talente“ der Tageszeitung „Herborner Tageblatt“
„Fußball spielen wäre billiger“
Fabienne Plaum (18) hat sich in die hessische Schützenspitze vorgekämpft
Von Alexander Klein „Fußball ist was für Jungs“, erklärt Mutter Bianca entrüstet. Ursprünglich wollte ihre Tochter das Runde ins Eckige bugsieren, wovon ihre Eltern aber so gar nicht begeistert waren, so dass Fabienne Plaum stattdessen heute auf Scheiben schießt. Und das macht die 18-Jährige so gut, dass sie bereits zur hessischen Spitze ihrer Altersklasse zählt.
2002 taucht sie mit ihrem Vater Jörg beim Ostereierschießen in Erdbach auf und kommt somit erstmals intensiver mit den Sportschützen in Kontakt. Wenig später wird sie Mitglied beim SV Erdbach.
Der sportliche Umgang mit Schusswaffen ist innerhalb der Familie da bereits tief verwurzelt. Schon Fabiennes Opas und Tanten sowie Vater Jörg haben sich diesem Hobby verschrieben. Jörg Plaum ist zudem Jugendleiter beim SV Erdbach.
Will wieder in den Bundeskader: Seine 18-jährige Tochter, die gerade ihr Fachabitur an den Gewerblichen Schulen in Dillenburg absolviert, schießt Luftgewehr sowie Kleinkaliber. Letzteres aber lieber und liefert auch direkt die Begründung dafür: „Es knallt wenigstens richtig, und da ist auch was dahinter.“
2005 macht Fabienne bei einem Sichtungsschießen in Frankfurt am Main das erste Mal überregional auf sich aufmerksam und wird aufgrund der guten Leistungen ein Jahr später in den Landeskader aufgenommen. 2010 schafft sie es sogar in den C-Kader des Bundes, der den Kern der U18-Nationalmannschaft bildet.
Zweimal die Woche trainiert die 18-Jährige vorwiegend alleine im Schützenhaus in Erdbach. Zum normalen Trainingsbetrieb kommen noch etwa sechs Bundeskaderlehrgänge pro Jahr hinzu. Bei diesen Veranstaltungen, die unter anderem in München und Dortmund stattfinden, geht es vor allem darum, die Schusstechnik zu optimieren. Aber auch die physische Fitness wird durch morgendlichen Frühsport trainiert. Und Bundestrainerin Claudia Kulla, die die Lehrgänge organisiert und leitet, hält beispielsweise Vorträge zur Psychologie. „Fabienne wirkt auf mich bereits ziemlich erwachsen und ist zudem sehr sozial“, erklärt die 45-jährige Kulla.
Auch ihr Landestrainer Bill Murray traut ihr einiges zu: „Sie hat sich zwar bisher noch nicht für eine Europa- oder Weltmeisterschaft qualifiziert, aber die technischen und mentalen Fähigkeiten sind bei ihr dafür vorhanden“, bescheinigt der gebürtige Engländer ihr eine hoffnungsvolle Zukunft. Ihre Mutter stört vor allem der schlechte Ruf der Randsportart. „Nicht jeder Sportschütze ist ein Amokläufer“, macht die 43-Jährige klar, dass die Schützen weg von ihrem Negativ-Image wollen. Nach jedem weiteren Amoklauf eines jungen Erwachsenen, der auch in einem Schützenverein aktiv sei, komme die Diskussion wieder auf.
Den bisher schönsten Moment ihrer noch jungen Laufbahn erlebt Fabienne Plaum 2009 beim Junioren-Wettkampf im ostdeutschen Suhl, der zugleich ihr erster internationaler Wettkampf ist. Beim Kleinkaliber 3×20, bei dem die Schützen liegend, stehend und kniend schießen, belegt sie den ersten Platz vor einer Österreicherin und einer Schweizerin.
Liegend schießt sie sich auf Rang zwei hinter einer Schwedin. Als dann bei der Siegerehrung die deutsche Nationalhymne gespielt wird, ist die 18-Jährige gerührt: „Ich hatte gar nicht mehr daran gedacht, dass die Hymne gespielt wird und dann stehst du da und bist platt“, schildert Fabienne noch heute diese Situation überwältigt.
Ein weiteres Highlight sind die Deutschen Meisterschaften im Sportschießen im August 2010 in München, wo sie mit dem Luftgewehr im Einzel 393 Ringe (von 400) markiert und sich so den dritten Platz sichert. Mit der Mannschaft kommt sie beim Kleinkaliber 3×20 (liegend, stehend, kniend), sowie bei den 60 Schuss liegend mit der gleichen Waffe jeweils auf den zweiten Platz.
Allgemein ist sie viel unterwegs. Größere internationale Wettkämpfe wie die ISCH (International Shooting Competition of Hannover) in der niedersächsischen Hauptstadt oder auch die ISAS (Internationaler Saisonauftakt der Sportschützen) in Dortmund gehören für sie schon zur Routine. „Nächstes Jahr will ich wieder in den Bundeskader kommen und später einmal bei einer Europa- oder Weltmeisterschaft an den Start gehen“, steckt sich die Schülerin weiter hohe Ziele.
Ihre Mutter Bianca ist sich heute zumindest in einer Sache ganz sicher: „Fußball spielen wäre billiger gewesen“, kommentiert sie mit einem Lächeln.
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Dokument erstellt am 27.04.2011 um 13:42:07 Uhr